Machine Learning, Blockchain, Zweitschriftverfahren und Digital Transformation

Photo by rawpixel on Unsplash

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Frau Anna Müller ist bei einer großen Investment Bank (IB-Bank) tätig. Sie betreut verschiedene Kunden bei Fusionen, Übernahmen und Restrukturierungen. In ihrem Arbeitsalltag erhält Frau Müller vertrauliche Informationen, die die Preise der Aktien ihrer Kunden beeinflussen können. Um das Risiko zu minimieren, dass Frau Müller diese Informationen zu ihrem eigenen Vorteil nutzt, werden ihre privaten Wertpapiergeschäfte durch die Compliance-Stelle ihres Arbeitgebers geprüft. Darüber hinaus erfordern regulatorische Vorgaben (z.B. Marktmissbrauchsrichtlinie der EU) die Überwachung des Insiderhandelsverbots.

Frau Müller tätigt ihre Wertpapiergeschäfte vollständig durch ein Drittinstitut (DI-Bank). Sie ist verpflichtet dort das Zweitschriftverfahren zu beantragen, wodurch die DI-Bank berechtigt wird, die IB-Bank über die von Frau Müller durchgeführten Wertpapiergeschäfte per Zweitschrift zu informieren. Die Zweitschriften werden in der Regel per Post gesendet.

Herr Daniel Meyer ist Sachbearbeiter in der Compliance-Stelle der IB-Bank und empfängt täglich hunderte von Zweitschriften per Post (Papierform). Alle Wertpapiergeschäfte werden dann manuell im System der IB-Bank angelegt und dem entsprechenden Mitarbeiter zugeordnet. Da die Zweitschriften verschiedener Finanzinstitute verschiedene Formate haben, benötigt Herr Meyer zwischen drei und fünf Minuten für die Erfassung eines Wertpapiergeschäfts.

Figure 1: Zweitschriften werden zwischen allen Instituten versendet, die Wertpapiergeschäfte tätigen.Quelle: Finbridge GmbH & Co. KG

Figure 1: Zweitschriften werden zwischen allen Instituten versendet, die Wertpapiergeschäfte tätigen.

Quelle: Finbridge GmbH & Co. KG

Das oben beschriebene Beispiel veranschaulicht einen Standardprozess in Finanzinstituten: Informationen, die sowohl im versendenden, als auch im empfangenden Institut digital in Datenbanken vorliegen (müssen), werden in einem nicht-standardisierten bzw. normierten Format in Papierform ausgetauscht. Dieser Prozess ist zeitintensiv, ineffizient, anfällig für Sicherheitslücken und birgt das Risiko einer Verschlechterung der Datenqualität durch manuelle Bearbeitungsschritte.

Quelle: Finbridge GmbH & Co. KG

Quelle: Finbridge GmbH & Co. KG

Was sind Zweitschriften?


Das Zweitschriftverfahren ist der Prozess zur Offenlegung von Wertpapierumsätzen der eigenen Mitarbeiter einer Bank bei Drittinstituten.

Die Übermittlung dieser Informationen erfolgt durch Versand einer Kopie der Ausführungsanzeigen bzw. Abrechnungen durch die depotführende Stelle an die Compliance-Abteilung des Arbeitgebers.

In der Compliance-Abteilung des Arbeitgebers werden die Dokumente zunächst manuell in die hauseigene IT-Struktur übernommen und anschließend inhaltlich geprüft und archiviert.

 

Wie kann der bestehende Prozess verbessert oder transformiert werden?


Das Zweitschriftverfahren betrifft grundsätzlich jedes Institut, das Wertpapiergeschäfte tätigt. Da die Art und Weise der Erstellung der Zweitschriften individuell historisch gewachsen ist, gibt es keine institutsübergreifende Norm, die eine weitere Verarbeitung der Zweitschriften vereinfachen würde. Einen etablierten Prozess vollständig umzustellen und ad hoc digital abzuwickeln ist ein sehr aufwändiges Unterfangen, unter anderem durch die Vielzahl an beteiligten Parteien. Wir schlagen daher vor, den Prozess schrittweise zu verbessern und zunächst lokal bei den einzelnen Instituten anzusetzen:
 

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Step 1 -> [Lokal]: Lokale Prozesse des Empfängers digitalisieren.

Um den lokalen Prozess nach Erhalt einer papierhaften Zweitschrift zu optimieren, betrachten wir die manuelle Übernahme der in der Zweitschrift enthaltenen Daten. Statt die Briefe einzeln von einem Sachbearbeiter nach relevanten Informationen durchkämmen und diese dann erfassen zu lassen, ist es wesentlich ressourcenschonender, die Dokumente zunächst zu digitalisieren (z.B. mit einem marktüblichen Scanner) um die relevanten Informationen anschließend durch spezielle Optische Zeichenerkennung (OCR Optical Character Recognition) Algorithmen identifizieren zu lassen. Diese sogenannten ‚Machine-Learning‘ Algorithmen werden darauf programmiert, die benötigten Informationen anhand von üblichen Formulierungen, Schlüsselwörtern oder der Dokumentenstruktur zu extrahieren. Durch eine zusätzliche Plausibilitätsprüfung findet eine Qualitätssicherung der ermittelten Daten statt. Konnte eine Zweitschrift durch den Algorithmus nicht erfolgreich bearbeitet werden, z.B. auf Grund einer außergewöhnlichen Struktur des Dokumentes, muss ein zusätzlicher manueller Bearbeitungsschritt durchlaufen werden, bevor die Daten in die Datenbank übernommen werden können.

Unser Finbridge Tool für Dokumentenerkennung ermöglicht Ihnen das Auslesen der Compliance relevanten Information aus digitalisierten Zweitschriften, die Qualitätskontrolle und automatische tägliche Weiterverarbeitung der Zweitschriften in Ihrer spezifischen Compliance-Lösung.
Figure 2: Step 1 - Eine lokale Optimierung des Zweitschriftenverfahrens führt zu einer Reduktion benötigter Arbeitszeit des zuständigen Sachbearbeiters.Quelle: Finbridge GmbH & Co. KG

Figure 2: Step 1 - Eine lokale Optimierung des Zweitschriftenverfahrens führt zu einer Reduktion benötigter Arbeitszeit des zuständigen Sachbearbeiters.

Quelle: Finbridge GmbH & Co. KG

Worin liegen die Vorteile einer lokalen Automatisierung des Prozesses?

Einfache und schnelle Umsetzung: Da die Prozessanpassung nur lokal beim Empfänger stattfindet (vgl. Fig.2), sind keine institutsübergreifenden Absprachen notwendig. Finbridge bietet ein Tool zur Extraktion der Daten aus gescannten oder elektronisch erhaltenen Zweitschriften an, das direkt einsatzbereit ist. Lediglich die Übernahme der extrahierten Informationen in die lokale Datenbank muss etabliert werden.

Manuelle Bearbeitung stark reduziert: Die manuellen Tätigkeiten reduzieren sich auf das Scannen der postalisch erhaltenen Zweitschriften und die Abarbeitung der nicht erfolgreich verarbeiteten Zweitschriften.

Worin liegen die Nachteile einer lokalen Automatisierung des Prozesses?

Es ist weiterhin eine manuelle Bearbeitung der fehlerhaften Fälle nötig: So lange es keine Standardisierung der Zweitschriften gibt, wird weiterhin ein Mitarbeiter nötig sein, der eine - wenn auch wesentlich geringere - Anzahl an Zweitschriften manuell bearbeitet.

Datenübermittlung bleibt in Papierform: Da diese erste Prozessanpassung lokal beim Empfänger erfolgt und bewusst – aus Aufwandsgründen- nicht die versendenden Institute mit einbezieht, bleibt ein manueller Restaufwand um die Zweitschriften zu digitalisieren.
 

Figure 3: Step 2- Eine bilaterale Optimierung führt zu weiterer Reduktion benötigter Ressourcen.Quelle: Finbridge GmbH & Co. KG

Figure 3: Step 2- Eine bilaterale Optimierung führt zu weiterer Reduktion benötigter Ressourcen.

Quelle: Finbridge GmbH & Co. KG

Step2 -> [Bilateral]: Bilaterale Prozesse zwischen Versender und Empfänger verbessern

In einem nächsten Schritt können die Zweitschriften versendenden Institute in die Prozessoptimierung sowohl auf technischer Seite als auch bezüglich des Ablaufs eingebunden werden (vgl. Fig. 3): Eine Datenübermittlung in elektronischer Form würde die notwendigen Arbeiten in beiden Instituten reduzieren. Hierzu muss eine Datenübermittlung zwischen Sender und Empfänger möglich sein, die jegliche Sicherheits- und Datenschutzaspekte abdeckt. Dies kann z.B. über eine bilaterale Schnittstelle geschehen.

Auch ohne dezidierte Schnittstelle lässt sich durch Einbeziehen des versendenden Instituts zumindest ein gemeinsames Format der übermittelten Schreiben vereinbaren, das dem Empfänger die Verarbeitung mit Hilfe der ggf. bereits vorhandenen ‚Machine-Learning‘ Algorithmen erleichtert.
 

Worin liegen die Vorteile einer bilateralen Automatisierung des Prozesses?

Geringerer manueller Aufwand: Eine rein elektronische Übertragung der Zweitschriften, entweder durch Übertragen der Rohdaten über eine Schnittstelle oder durch elektronischen Versand der Zweitschriften-Dokumente, lässt die Ausfertigung der Postsendung beim Sender und die Digitalisierung der Dokumente beim Empfänger entfallen.

Verbesserte Datenqualität: Durch Vereinbarung eines gemeinsamen Formates der Schreiben, und damit der übertragenen Daten, ist mit einer verbesserten Datenqualität zu rechnen. Folglich ist eine geringere Anzahl vollständig manuell zu bearbeitender Zweitschriften zu erwarten.

Reduzierte Anzahl papierhafter Sendungen: Die Postsendung der Zweitschriften kann jeweils für den bilateralen Austausch entfallen.

Worin liegen die Nachteile einer bilateralen Automatisierung des Prozesses?

Manueller Aufwand: Insbesondere ohne eigene bilaterale Schnittstelle kann es grundsätzlich noch immer zu nicht automatisch bearbeitbaren Zweitschriften kommen. Diese erfordern weiterhin eine manuelle Bearbeitung.

Sowohl der Sender als auch der Empfänger der Zweitschrift müssen die Prozesse und Systeme anpassen.

 

Step 3 -> [Pool]: Netzwerkeffekte durch Umstellen der Value Chain

Der dritte und letzte Schritt einer Optimierung des Zweitschriftverfahrens betrifft die Umstellung der Value Chain insgesamt: Durch die Kombination eines allgemeinen Standardformats (ISO) der Zweitschriften und dem Einsatz von Blockchain Technologie wird der Prozess maximal effizient umgestaltet.

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Figure 4: Step 3 - Volle Ausnutzung des Optimierungspotenzials durch vollständige Digitalisierung des Zweitschriftenverfahrens mit Hilfe der Blockchain Technologie.Quelle: Finbridge GmbH & Co. KG

Figure 4: Step 3 - Volle Ausnutzung des Optimierungspotenzials durch vollständige Digitalisierung des Zweitschriftenverfahrens mit Hilfe der Blockchain Technologie.

Quelle: Finbridge GmbH & Co. KG

 

Worin liegen die Vorteile der Umstellung der Value Chain?


Entfall des manuellen Bearbeitungsaufwandes: Da die Daten digital vorliegen und somit die gleiche Datenquelle von allen Instituten genutzt wird, können diese ohne manuelle ‚Übersetzung‘ in die Datenbanken übernommen werden.

Wegfall papierhafter Sendungen: Im Rahmen einer (rein digitalen) Datenübermittlung im Rahmen von Blockchains ist keine postalische Dokumentensendung mehr erforderlich.

Worin liegen die Nachteile der Umstellung der Value Chain?


Kollaboration der teilnehmenden Institute: Um einen Netzwerkeffekt zu erzielen ist eine signifikante Anzahl teilnehmender Banken erforderlich (erhöhter Abstimmungs- und Koordinationsbedarf).

Ergebnis

Zusammenfassend lohnt es sich bereits lokal kleinere Prozessänderungen vorzunehmen, um eine Arbeitsentlastung herbeizuführen und Kosten zu reduzieren. Langfristig kann der an mehreren Stellen lokal optimierte Prozess zu zusätzlichen, bilateralen Synergieeffekten führen, die den Weg für zusätzliche Optimierungen ebnen. Das wiederum stellt eine Vorstufe des vollständig digitalen Prozesses dar, dessen Aufbau letztlich mit geringerem Aufwand möglich ist, als bei einer ad hoc Umstellung.

Finbridge GmbH & Co KG begleitet ihr Institut gerne bei einem oder mehreren Schritten zur Optimierung ihres Zweitschriftenprozesses und der damit verbundenen Digitalen Transformation. Unsere Experten unterstützen Sie sowohl mit ihrem bankenfachlichen Know-how als auch mit speziell für die Automatisierung des Zweitschriftenverfahrens entworfenen Tools, die wir gemeinsam mit ihren Mitarbeitern in die bestehende IT-Architektur integrieren.

Autoren: Henrique Schulz, Dr. Jacqueline Bonnet, Till Fischer und Maximilian Hentschel


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