Sustainable Finance – Auswirkungen auf das Risikomanagement

Photo by Paul Einerhand on Unsplash, downloaded 26.05.2021.

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Das Thema Nachhaltigkeit hat im vergangenen Jahrzehnt international an Bedeutung gewonnen. Mit dem im Jahr 2018 veröffentlichten EU-Aktionsplan „Finanzierung nachhaltigen Wachstums“, wird Nachhaltigkeit nun auch ein wichtiger Schwerpunkt im Finanzbereich. In unserer Veröffentlichung zum Thema „Sustainable Finance – Veränderungen in der MiFID II[1]“ wurden bereits die Veränderungen im Beratungsprozess, im Risikomanagement und in der Zielmarktbestimmung und -überprüfung beschrieben, die durch Gesetzesänderungen in der MiFID II hervorgerufen werden. Diese Veröffentlichung befasst sich mit wesentlichen Teilaspekten der regulatorischen und aufsichtsrechtlichen Konsequenzen, die sich voraussichtlich durch eine Mandatserweiterung der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) zur Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken in den Aufsichtsprozess ergeben werden.

Rechtlich beruht die Mandatserweiterung der EBA hauptsächlich auf 5 Gesetzesänderungen:

Abbildung 1: Mandatserweiterung der EBA

Abbildung 1: Mandatserweiterung der EBA

Diese Veröffentlichung konzentriert sich auf die Änderungen in der CRD V[2] und in der IFD[3], da diese Berichte seitens der EBA initiieren, die noch in diesem Jahr veröffentlicht werden und die Ermittlung, Bewertung und Bewältigung von ESG-Risiken[4] thematisieren. Außerdem ist die Bestimmung von ESG-Risiken gemäß CRD V relevant für die Offenlegungspflichten, die große Institute gemäß Artikel 449a CRR[5] ab dem 28. Juni 2022 einhalten müssen.[6]

Die Definition von ESG-Risiken

Die EBA definiert ESG-Risiken als die negative Materialisierung von ESG-Faktoren[7] bei den Geschäftspartnern. Ein Institut ist somit von ESG-Risiken betroffen, wenn die ESG-Faktoren, die die Geschäftspartner beeinflussen, einen negativen Einfluss auf die finanzielle Performance und die Solvenz des Instituts haben. Die ESG-Risiken, die von dem Institut selbst, beispielsweise durch adverse Arbeitsbedingungen, ausgehen, sind bereits ins Risikomanagement integriert und werden daher von der EBA nicht weiter untersucht.

Neben ESG-Risiken definiert die EBA Umweltrisiken, Soziale Risiken und Governance-Risiken auch separiert. Allerdings kann nur anhand der Umweltrisiken die gesetzlich geforderte Definition (CRD V, Art. 98(8); IFD, Art. 35) von physischen Risiken und Transitionsrisiken eindeutig beschrieben werden. Diese Veröffentlichung greift daher nur die Umweltrisiken auf. Umweltrisiken sind Risiken, die dadurch entstehen, dass Geschäftspartner negativen Umweltfaktoren ausgesetzt sind. Dazu zählen Faktoren, die durch den Klimawandel und andere Formen von Umweltzerstörung, wie beispielsweise Abholzung, hervorgerufen werden. Umweltrisiken können in drei Formen auftreten:

Abbildung 2: UmweltrisikenQuelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an „EBA Discussion Paper on Management and Supervision of ESG Risks for Credit Institutions and Investment Firms”.

Abbildung 2: Umweltrisiken

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an „EBA Discussion Paper on Management and Supervision of ESG Risks for Credit Institutions and Investment Firms”.

Physische Risiken und Transitionsrisiken interagieren. In Folge hoher physischer Risiken steigt bspw. der Druck, einen Übergang zu nachhaltigem Wirtschaften zu forcieren. Wenn zu einem nachhaltigen Wirtschaften übergegangen wird, werden Transitionsrisiken präsenter, physische Risiken sinken jedoch zeitgleich. Im Gegenzug sorgt ein Hinauszögern der Transition hin zu nachhaltigem Wirtschaften für höhere physische Risiken während Transitionsrisiken sinken.

Die Bewertung von ESG-Risiken

Für die Bewertung von ESG-Risiken müssen diese Risiken zunächst identifiziert werden. Dazu werden Indikatoren benötigt, die Risiken beispielsweise anhand des Sektors und der geographischen Lage bestimmen. Im nächsten Schritt müssen die Risiken gemessen werden. Dazu werden in diesem Kapitel verschiedene Methoden vorgestellt. Zuletzt müssen die ESG-Risiken in die Geschäftsprozesse, bspw. im Risikomanagement, eingebettet werden.

Abbildung 3: Bewertungsprozess für ESG-RisikenQuelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an „EBA Discussion Paper on Management and Supervision of ESG Risks for Credit Institutions and Investment Firms“

Abbildung 3: Bewertungsprozess für ESG-Risiken

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an „EBA Discussion Paper on Management and Supervision of ESG Risks for Credit Institutions and Investment Firms“

Identifizierung von ESG-Risiken

Bezogen auf die Identifizierung von ESG-Risiken macht die EBA unterschiedliche Vorschläge, welche Indikatoren in Frage kommen. Zunächst stellt die EU-Taxonomie einen einheitlichen Ansatz zur Identifizierung und Klassifizierung ökonomischer Aktivitäten anhand ihres Beitrags zu einer nachhaltigen Wirtschaft dar. Eine von der Taxonomie als nachhaltig identifizierte Tätigkeit sollte damit geringe ESG-Risiken aufweisen. Außerdem gibt es internationale Standards (bspw. von der Internationalen Organisation für Normung ISO[8]), die die Nachhaltigkeit von Unternehmen und öffentlichen Organisationen einordnen. Weiterhin gibt es nachhaltige Labels wie den „Green Bond“, die ebenfalls der Identifizierung nachhaltiger Tätigkeit dienlich sein können. Zudem hat die Europäische Kommission Benchmarks erstellt, die eine Einschätzung der Performance von nachhaltigkeitsbezogenen Investitionen ermöglichen. Eine Empfehlung für bestimmte ESG-Indikatoren wird nicht ausgesprochen. In ihrem Diskussionspapier richtet die EBA die Frage an die Unternehmen, welche ESG-Indikatoren derzeit verwendet werden (EBA Discussion Paper, S. 59).

Messung von ESG-Risiken

Die EBA schlägt 3 unterschiedliche Methoden zur Messung von ESG-Risiken vor: Die Portfolio Alignment Methode, die Risk Framework Methode und die Exposure Methode (Abbildung 4). Die Portfolio Alignment Methode stellt die Frage, wie sehr das Portfolio eines Instituts an den globalen Nachhaltigkeitszielen ausgerichtet ist. So wird bspw. geprüft, welche Änderungen in dem Portfolio stattfinden müssten, um im Einklang mit dem 2 Grad Ziel des Pariser Klimaabkommens zu sein.

Bei der Risk Framework Methode wird die Frage gestellt, wie das Risikoprofil eines Bankportfolios und seine Risikoindikatoren von nachhaltigkeitsbezogenen Sachverhalten beeinflusst werden. Hierfür werden Stresstests und Sensitivitätsanalysen durchgeführt. In den Stresstests werden die Auswirkungen verschiedener Klimaszenarien auf die Risikobeschaffenheit des Portfolios getestet. In der Sensitivitätsanalyse werden keine Szenarien angenommen. Stattdessen wird gemessen, wie sich das Risiko des Portfolios verändert, wenn Positionen beispielsweise von einer „grünen“ Klassifikation auf eine „nicht-grüne“ Klassifikation wechseln.

Abbildung 4: Methoden zur Messung von ESG-RisikenQuelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an „EBA Discussion Paper on Management and Supervision of ESG Risks for Credit Institutions and Investment Firms“

Abbildung 4: Methoden zur Messung von ESG-Risiken

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an „EBA Discussion Paper on Management and Supervision of ESG Risks for Credit Institutions and Investment Firms“

Bei der Exposure Methode steht der einzelne Kunde im Vordergrund. Für jede Position und jeden Kunden werden die spezifischen ESG-Risiken untersucht. Hierfür werden ESG-Ratings herangezogen. Das individuelle Vorgehen hat den entscheidenden Vorteil, dass die Bank das Gespräch mit Geschäftspartnern suchen kann, die hohe ESG-Risiken aufweisen. Dies kann die Transition hin zu einem nachhaltigen Wirtschaften befeuern. Weitere Vor- und Nachteile der beschriebenen Methoden sind in Tabelle 1 dargestellt.

Insgesamt fasst die EBA zusammen, dass die vorgestellten Methoden nicht als Substitute, sondern vielmehr als Komplemente gesehen werden sollten. Während die Alignment Methode den Fokus auf das gesamte Portfolio setzt und die Übereinstimmung mit konkreten Zielen prüft, ermöglicht die Risk Framework Methode die Messung, welche Sektoren besonders risikobehaftet sind. Die Exposure Methode bietet schließlich eine Analyse für jeden einzelnen Geschäftspartner.

Tabelle 1: Vor- und Nachteile der Methoden

Die Einbettung von ESG-Risiken in die Geschäftsprozesse

Auf die Identifizierung und Messung der ESG-Risiken folgt ihre Einbettung in Geschäftsprozesse. Dafür müssen sowohl bestehende Prozesse angepasst werden als auch neue Prozesse, wie bspw. Stresstests, implementiert werden. Damit ist der Prozess des ESG-Risikomanagements jedoch nicht abgeschlossen. Da Risiken nicht statisch sind, müssen ESG-Risiken regelmäßig identifiziert, gemessen und in die Geschäftsprozesse aufgenommen werden. Dieses Kapitel fasst die Empfehlungen der EBA zur Einbettung von ESG-Risiken zusammen. Dabei wird auf die Anpassung der Geschäftsstrategie, der internen Governance und des Risikomanagements eingegangen.

Aufnahme in die Geschäftsstrategie

Aufgrund des langfristigen Zeithorizonts, in dem ESG-Risiken auftreten und über den sie wirken, argumentiert die EBA, dass ESG-Risiken in die Strategie der jeweiligen Bank aufgenommen werden sollten. In ihrem Diskussionspapier fordert die EBA, dass Banken im Rahmen der CRD und der CRR zukünftig sogar zu langfristig resilienten Geschäftsstrategien verpflichtet werden sollten. Konkret fordert die EBA in vier Bereichen Anpassungen des Geschäftsmodells an ESG-Risiken.

Abbildung 5: Entwicklung einer ESG-konformen Geschäftsstrategie

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an „EBA Discussion Paper on Management and Supervision of ESG Risks for Credit Institutions and Investment Firms“

Interne Governance

Im Umgang mit ESG-Risiken ist außerdem die interne Governance wichtig, um ESG-Faktoren zu berücksichtigen. Dabei sind das Management, interne Kontrollstrukturen und die Vergütungspolitik von Bedeutung. Das Management ist verantwortlich für die Überwachung und das Monitoring strategischer Ziele, der Risikostrategie und der Governance. Damit nimmt es auch eine Schlüsselrolle im ESG-Monitoring ein. Hierfür muss die Managementebene über Know-how bzgl. ESG-Faktoren verfügen, die Risiken verstehen und bei der Bewertung potenzieller finanzieller Risiken langfristig denken.

Das Management ist auch für den Aufbau interner Kontrollstrukturen verantwortlich. Dabei sind die Geschäftsbereiche, in denen ESG-Risiken aufgenommen werden in erster Linie für deren Management zuständig. Eindeutige interne Prozesse, die dem Risikoappetit der Bank und ihren Leitlinien zum Risikomanagement entsprechen, sind daher wichtig. So kann beispielsweise die Aufnahme von ESG-Risiken in die Bewertung der Zahlungsfähigkeit des Kreditnehmers zum Zeitpunkt der Kreditvergabe als „First Line of Defence“ wirken. Weiterhin spielen die Bereiche Risikomanagement, Compliance und interne Prüfung eine wichtige Rolle in den internen Kontrollstrukturen.

In der Vergütungspolitik können anreizbasierte Systeme einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass ESG-Risiken in die Organisationsstruktur aufgenommen werden. Im Besonderen können Interessenkonflikte vermieden werden, indem die Vergütung an das Erreichen der ESG-Ziele der Bank, beispielsweise die Resilienz der Geschäftsstrategie im Hinblick auf ESG-Faktoren, geknüpft wird.

Risikomanagement

Ein aktives ESG-Risikomanagement ist essenziell, um die frühzeitige Identifizierung von ESG-Risiken seitens der Bank zu gewährleisten und den Risiken entgegenwirken zu können. Die Aufnahme von ESG-Faktoren in das Risikomanagement erfordert hierfür zunächst eine Analyse des Risikoappetits der Bank. Auf der Basis können Risikokonzepte bestimmen, welche Geschäfte risikokonform gezeichnet werden können. Die Bestimmung der Risiken erfordert Daten über die Tätigkeit der Geschäftspartner und je nach Risikoform verschiedene Methoden. Für Soziale Risiken und Governance Risiken sind Stresstests bisher beispielsweise kaum bekannt und es werden meist qualitative Methoden verwendet. Für Klimarisiken hingegen können auch quantitative Indikatoren und Stresstests verwendet werden. Weiterhin werden im Management Schritte veranlasst, die eine strategiekonforme Risikoaufnahme gewährleisten, indem bspw. bestimmte Industrien ausgeschlossen werden oder ein ESG-risikoabhängiges Pricing stattfindet. Eine genaue Übersicht findet sich in Abbildung 6.

Abbildung 6: Risikomanagement

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an „EBA Discussion Paper on Management and Supervision of ESG Risks for Credit Institutions and Investment Firms“

Unser Angebot

Die hier vorgestellten Empfehlungen der EBA zum Risikomanagement, stellen nur ein Segment des Umbruchs im Finanzsektor dar, der durch den EU-Aktionsplan „Finanzierung nachhaltigen Wachstums“ angestoßen wird. Daneben führen beispielsweise Änderungen in der MiFID II zu nachhaltigkeitsbezogenen Anforderungen im Beratungsprozess und in der Zielmarktbestimmung. Finanzinstituten stehen damit erhebliche Veränderungen bevor – Veränderungen, die Chancen und Herausforderungen bieten.

Das Diskussionspapier der EBA lässt erwarten, dass die Bestimmung von ESG-Risiken zukünftig sowohl für eine erfolgreiche Geschäftsstrategie als auch regulatorisch von Bedeutung sein wird. Wir unterstützen Sie gern bei der Anpassung interner Prozesse an die neuen Anforderungen an das Risikomanagement, um optimal auf die Zukunft vorbereitet zu sein. Dazu gehört beispielsweise eine Portfolioanalyse, die Entwicklung von Stresstestverfahren und die Entwicklung von ESG-konformen Scorings Ihrer Geschäftspartner.

Unser Beratungsansatz fokussiert sich bei der Umsetzung auf die optimale Einbettung der automatisierten Analyse- und Prüfungstätigkeiten in Ihre vorhandene Prozesslandschaft. Die Schulung interner Mitarbeiter und eine bedarfsgerechte Anwendungsbetreuung sind für uns ebenso selbstverständlich wie ein kundenorientierter Lösungsansatz und die Umsetzung eventuell benötigter individueller Gestaltungen. Gern unterstützen wir darüber hinaus im Projekteinsatz oder/und dem regelmäßigen Betrieb.

Wir hoffen, Ihr Interesse an unserer Beratung geweckt zu haben und freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme!

QUELLEN UND REFERENZEN

[1] Markets in Financial Instruments Directive

[2] Capital Requirements Directive

[3] Investment Firms Directive

[4] Umwelt-, Sozial- und Governancerisiken

[5] Capital Requirements Regulation

[6] Vor dem Hintergrund, dass der endgültige Bericht, der in der CRD V von der EBA gefordert wird, erst am 28. Juni 2021 veröffentlicht wird, basieren die Analysen auf dem „Discussion Paper on Management and Supervision of ESG Risks for Credit Instituts and Investment Firms“, das die EBA im November 2020 veröffentlicht hat.

[7] ESG-Faktoren sind diejenigen ESG-Eigenschaften, die einen positiven oder negativen Einfluss auf die finanzielle Performance oder Solvenz einer Einheit oder eines Individuums haben.

[8] International Organisation for Standardisation


 

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