MREL: Umfassende Neuerungen durch BRRD II und SRM-VO II – ein Überblick
Einordnung
Der einheitliche Abwicklungsmechanismus (engl. Single Resolution Mechanism, kurz: SRM) stellt einen wesentlichen Baustein der Bankenunion dar. Der SRM wird durch das Single Resolution Board (kurz: SRB) zusammen mit nationalen Abwicklungsbehörden der an der Bankenunion teilnehmenden Mitgliedsstaaten gebildet. Er dient der Definition einheitlicher Regeln zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten mit dem Ziel, eine ordnungsgemäße Abwicklung bei möglichst geringen Auswirkungen auf die Wirtschaft, das Finanzsystem sowie den öffentlichen Haushalt zu gewährleisten.
Finbridge informierte bereits über die Arbeiten zur Abwicklungsplanung in 2020 und Expectations for Banks des SRB sowie die Finalisierung der Expectations for Banks. Im vorliegenden Beitrag werden die Änderungen beleuchtet, die sich aus der Überarbeitung der EU-Bankenregulierung mit Bezug zu den Mindestanforderungen an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten (engl. Minimum Requirements for Own Funds and Eligible Liabilities, kurz: MREL) ergeben.
Ziel der MREL ist das Vorhalten ausreichender Passiva, die im Abwicklungsfall umgewandelt oder herabgeschrieben werden können und somit eine geordnete Abwicklung gewährleisten. Die gesamten Eigenmittel und berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten (Kriterien s. folgender Abschnitt) finden somit Berücksichtigung in der MREL-Quote, die sich derzeit als Quotient dieser zu den Gesamtverbindlichkeiten inkl. Eigenmittel (engl. Total Liabilities and Own Funds, kurz: TLOF) ausdrückt:
Die Mindestanforderung für die MREL-Quote wird aktuell durch die zuständige Abwicklungsbehörde festgelegt.
Neuerungen im Rahmen der BRRD II bzw. SRM-VO II
Mit Veröffentlichung der überarbeiteten Richtlinie über die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten (kurz: BRRD II) sowie der Verordnung über den einheitlichen Abwicklungsmechanismus (kurz: SRM-VO II) treten spätestens zum 28. Dezember 2020 umfassende Neuerungen u. a. mit Bezug zu MREL in Kraft. Der Wortlaut der Änderungen in beiden Vorschriften ist dabei nahezu identisch, sodass i. F. auf die SRM-VO II verwiesen wird.
Mit den vorgenannten Neuerungen werden die Begriffe Abwicklungseinheit und Abwicklungsgruppe definiert:
Ferner wurde eine neue Bankengruppe, die sog. Top-Tier Banken eingeführt. Top-Tier Banken sind Institute mit einer Bilanzsumme von mehr als 100 Mrd. EUR, jedoch keine G-SIBs (global systemrelevante Banken) sind. Institute, die diese Kriterien nicht erfüllen, können durch Einschätzung der Abwicklungsbehörde dennoch als solche eingestuft werden.
Berechnungsmethodik
Die Neuerungen umfassen fortan zwei Bezugsgrößen im Nenner der MREL-Quote. Diese nimmt zukünftig Bezug auf eine risikoorientierte Komponente, die risikogewichteten Aktiva (RWA), sowie eine nicht risikoorientierte Komponente, dem Leverage Exposure (LRE). Die Bezugsgröße der TLOF entfällt somit für die allgemeine Berechnungsmethodik nach Art. 12d SRM-VO II.
MREL-Quote RWA
MREL-Quote Leverage Exposure (LRE)
MREL-Targets
Mit der Überarbeitung der BRRD und der SRM-VO werden fortan Mindestquoten für G-SIBs und Top-Tier Banken definiert. Diese können über diese Mindestanforderungen hinaus jedoch individuell durch die Abwicklungsbehörde festgelegt werden. Bei Instituten, bei denen es sich weder um G-SIBs noch um Top-Tier Banken handelt, wird die einzuhaltende MREL-Quote unverändert institutsindividuell durch die zuständige Behörde festgelegt.
Die Mindestanforderung für die MREL-Quote, unabhängig von ihrer Bezugsgröße, setzt sich grundsätzlich aus einem Verlustabsorptionsbetrag (zur Abdeckung der anfallenden Verluste im Abwicklungsfall) sowie einem Rekapitalisierungsbetrag zusammen.
Für die MREL-Quote mit RWA-Bezug setzt sich sowohl der Verlustabsorptionsbetrag als auch der Rekapitalisierungsbetrag jeweils aus den Kapitalanforderungen der Säule 1 (P1) sowie Säule 2 (P2R) zusammen. Hinzu kommt ein Marktvertrauenszuschlag in Höhe der kombinierten Kapitalpufferanforderung abzüglich des antizyklischen Kapitalpuffers.
Die Mindestanforderung für den Verlustabsorptionsbetrag und den Rekapitalisierungsbetrag der MREL-Quote mit Bezugsgröße des Leverage Exposures setzt sich jeweils aus der Mindestanforderung des Leverage Exposures zusammen.
Die verschiedenen Gesamtanforderungen können der nachstehenden Grafik entnommen werden:
Nachranganforderungen
Grundsätzlich sind nur solche Verbindlichkeiten anrechenbar, die nachrangig gegenüber anderen Kategorien von Verbindlichkeiten sind. Die BRRD II und die SRM-VO II setzen bestimmte Anforderungen in Bezug auf die Nachrangigkeit anrechenbarer Verbindlichkeiten voraus. Für Top-Tier Banken belaufen sich die Nachranganforderungen auf:
Darüber hinaus gilt für G-SIBs und Top-Tier Banken ab dem Jahr 2024 eine zusätzliche Nachranganforderung in Höhe von 8 % der TLOF. Zu berücksichtigen sind dabei die gesamten Eigenmittel und nachrangige Verbindlichkeiten. Im Falle der Nichteinhaltung, kann die Abwicklungsbehörde auch einen Wert unter 8 % zulassen. Jener Wert darf jedoch den Wert, der sich aus der folgenden Formel ergibt, nicht unterschreiten:
Die höchste der verschiedenen vorgenannten Nachranganforderungen entfaltet Bindungswirkung für das Institut.
Anrechenbarkeit
Zur Sicherheit der Anrechenbarkeit unterliegen Verbindlichkeiten bestimmten Kriterien aus der BRRD II und der SRM-VO II. Diese Kriterien sollen gewährleisten, dass die Verbindlichkeiten im Insolvenzfall zeitnah herabgeschrieben oder umgewandelt werden können und als liquide Mittel zur Verfügung stehen.
Für einen vollständigen Kriterienkatalog wird auf Art. 12c SRM-VO II verwiesen. Die nachstehende Übersicht zeigt die wichtigsten Punkte der Art. 72a, 72b und 72c CRR II auf, auf deren Kriterien verwiesen wird.
Nicht anrechenbar hingegen sind bspw. gedeckte Einlagen, Sichteinlagen oder kurzfristige Einlagen mit einer Restlaufzeit von weniger als einem Jahr oder Verbindlichkeiten aus der Verwaltung von Kundengeldern/-vermögen.
Ausblick
Mit der Finalisierung des Bankenpakets und damit der Veröffentlichung der finalen Entwürfe für BRRD II und SRM-VO II herrscht weitestgehend Klarheit über die Ausgestaltung der Abwicklungsarbeiten der kommenden Jahre. Dennoch sind im Laufe des Jahres noch in folgenden Bereichen Neuerungen zu erwarten.
Die EBA hat einen „Implementing Technical Standard (ITS) on disclosure and reporting of MREL and TLAC“ zur Konsultation gestellt. Die Konsultationsphase für die Melde- und Offenlegungsbögen endete am 22. Februar 2020 (s. Homepage der EBA). Eine Veröffentlichung der finalen Meldebögen ist für Juni 2020 vorgesehen. Aus den Meldebögen geht die neue, quartalsweise zu erfüllende Meldung der MREL hervor. Diese wird voraussichtlich parallel zur jährlichen Datenabfrage des SRB (bspw. Liability Data Report) zu melden sein. Neben den reinen Meldebögen (Annexes 1 und 2) werden ferner einheitliche Anforderungen an die Offenlegung (zu erfüllen ab dem Jahr 2024) sowie die Prognose definiert.
Neben der Finalisierung der Meldebögen durch die EBA ist die BRRD II als europäische Richtlinie noch in nationales Recht umzusetzen. In Deutschland wird es damit vermutlich zu einer Überarbeitung des BRRD-Umsetzungsgesetzes vom 18.12.2014 kommen. Von hoher Relevanz bei dieser Überarbeitung ist vor allem die Ausübung des Wahlrechts hinsichtlich der Kleinanlegervorschriften gem. Art. 44a BRRD II. Mitgliedsstaaten können den Vertrieb von MREL-fähigen Verbindlichkeiten an Kleinanleger bei nationaler Umsetzung auf zwei verschiedene Varianten regeln:
Mindeststückelung von 50.000 Euro für nachrangige MREL-fähige Verbindlichkeiten
Verkauf nur, wenn sichergestellt ist, dass Kleinanleger (Investition < 500.000 Euro) mindestens 10.000 Euro investieren ohne, dass der investierte Betrag 10 % des Portfolios übersteigt
Handlungsbedarf
Aus den vorgenannten Änderungen der SRM-VO II, des noch zu erwartenden Umsetzungsgesetzes zur BRRD II sowie dem voraussichtlich im Sommer 2020 finalisierten EBA ITS ergeben sich eine Reihe von Implikationen mit Blick auf die Umsetzung der Anforderungen.
Die genannten Änderungen müssen einmalig im Institut implementiert werden, um die regulatorischen Anforderungen zu erfüllen. Den einzelnen Targets und Nachranganforderungen der MREL-Quoten mit den unterschiedlichen Bezugsgrößen kommt dabei eine herausragende Bedeutung zu. Unbeachtlich dessen ist außerdem zu erwähnen, dass mit Einführung der neuen Quartalsmeldung über den EBA ITS fortlaufend eine zweite Meldungsanforderung gegenüber der bisherigen Data Collection des SRB zu erfüllen ist. Vorbehaltlich der noch ausstehenden Finalisierung ist bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt deutlich, dass die neue Quartalsmeldung einen unterschiedlichen Aufbau und eine abweichende Struktur zum bisherigen Liability Data Report aufzeigt.
Ferner sind die Verbindlichkeiten eines Instituts unter Berücksichtigung der geänderten Anrechenbarkeitskriterien zu beleuchten. Je nach Art der Verbindlichkeit sowie der vertraglichen Ausgestaltung sind gewisse Verbindlichkeiten gemäß den neuen Rahmenbedingungen nicht mehr anrechenbar und haben somit direkten Einfluss auf die MREL-Quote.
Wie Finbridge Sie unterstützt
Finbridge unterstützt Sie gern bei der Umsetzung der neuen Anforderungen gem. BRRD II und SRM-VO II. Unsere Expertinnen und Experten sind projekterfahren und zertifiziert in der Anwendung, dem Customizing und der Weiterentwicklung relevanter Standard-Softwarekomponenten im Meldewesenumfeld (bspw. Abacus360, BAIS) und verfügen über umfangreiches Know-how in der Modellierung und Etablierung neuer Datenlieferstrecken (Konzeption, Datenanforderung, fachlicher Systemtest, fachliche Abnahme) sowie Busi-ness Prozesse. Durch bisherige Projekterfahrungen unterstützten wir Sie gerne im Rahmen der fachlichen Neuerungen (bspw. durch Gap-Analysen, Überarbeitung/Erstellung von Fachkonzepten, Einführung von Monitoring-Tools, Ableitung institutsindividueller Grenz- und Schwellenwerte).