Änderungen der Kapitalvorschriften auf europäischer Ebene

Europäische Kommission legt finalen Änderungsentwurf für Kapitalvorschriften CRR und CRD IV vor

 

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Am 23.11.2016 hat die europäische Kommission einen Vorschlag zur Neufassung der CRR und CRD IV vorgelegt, die wesentliche Punkte des Baseler Ausschusses zur Neuregelung der Eigenkapitalvorschriften im Nachgang zu Basel III in europäisches Recht übertragen soll. Dieses, als Basel IV bekannt gewordene, Regulierungspaket greift mehrere auf Baseler Ebene diskutierte Themen auf. Darunter die Einführung der neuen Liquiditätskennziffer NSFR, den Liquiditätspuffer TLAC, die Überarbeitung der Handelsbuchabgrenzung, neue Vorschriften zur Bestimmung der Eigenkapitalanforderungen für Markt- und Kontrahentenrisiko, sowie eine verpflichtende Leverage Ratio.

Der Vorschlag der Kommission soll die Verhältnismäßigkeit des Regulierungsaufwandes insbesondere für kleine und mittlere EU-Institute sicherstellen und zusätzlich Vergleichbarkeit und Transparenz für Regulatoren und Investoren erhöhen.

Die konkreten Änderungen gegenüber der aktuellen CRR Version sind im Folgenden zusammengefasst.

 

Net Stable Funding Ratio

Die neue CRR beinhaltet unter anderem Vorgaben zur Net Stable Funding Ratio (NSFR) in Form eines hierfür neu eingeführten Titels IV in Teil 6.  Neben allgemeinen Definitionen zur Berechnung der NSFR, sowie deren Bestandteile Available Stable Funding (ASF) und Required Stable Funding (RSF), sind damit erstmals auch konkrete Gewichtungsfaktoren für die zu meldenden Positionen (Art. 428k-428o für ASF; Art. 428r-428ag für RSF) definiert, die in Einzelfällen (z. B. Reverse Repos und unbesicherte Interbankenforderungen) von den bisher empfohlenen Gewichtungsfaktoren des BCBS abweichen.

Die NSFR ist erwartungsgemäß an die Liquidity Coverage Ratio gemäß delegiertem Rechtsakt (LCR) angelehnt und teilt mit dieser Definitionen und Artikel zu übergreifenden Anforderungen hinsichtlich Liquiditätseinstufungen, Behandlung von Einlagen innerhalb institutioneller Sicherungssysteme (Art. 428g), Meldung nach signifikanten Währungen (Art. 415) und aufsichtlichen Maßnahmen bei Nichteinhaltung der Mindestquote von 100% (Art. 414).

Mit Art. 428b(5) behält sich die Aufsicht vor, den Currency Mismatch zwischen ASF und RSF über signifikante Währungen gem. Art. 415 zu begrenzen.

Im Falle von Derivaten ist eine Netto-Darstellung des Exposures pro Nettingdatensatz unter Berücksichtigung/Verrechnung von Variation Margins zum Buchwert vorgesehen (Art. 428d). Diese wurden bisher von den Instituten brutto zum Marktwert abgebildet. Zahlungsströme aus besicherter Kreditvergabe und SFTs mit täglichem Margining können bei vorliegender und rechtlich bindender Netting-Vereinbarung (Cashflow- und Closeout-Netting) mit einzelnen Gegenparteien netto ausgewiesen werden (Art. 428e i.V.m. Art. 429b zur Leverage Ratio). Liegen Margin-Vereinbarungen für Derivate vor, dürfen Anwender des neuen Standardansatzes für das Kontrahentenausfallrisiko (SA-CCR) als Alternative zu einem 20% RSF Faktor auf das risikosensitivere Potential Future Exposure gemäß SA-CCR abstellen (Art. 428x). 

Der CRR Entwurf zur NSFR verweist bei diesen Vorgaben auf die Möglichkeit einer zukünftigen Anpassung im Rahmen eines delegierten Rechtsaktes. Insbesondere wird die EBA in Art. 510 angewiesen, die Risikosensitivität der RSF Faktoren für Derivatetransaktionen zu überwachen und innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten der Änderungsverordnung mögliche Anpassungen einzuwerten.

Die verbindliche Mindestquote von 100% gilt demnach ohne weitere Übergangsphase zwei Jahre nach Veröffentlichung der neuen CRR im EU Amtsblatt – somit frühestens zum Meldestichtag 31.12.2018.

 

Fundamental Review of the Trading Book

Mit der neuen CRR wird die seit 2012 andauernde Konsultationsphase zur Neudefinition des Handelsbuches abgeschlossenen und in geltendes Recht transformiert. Die Kommission orientiert sich in ihrem Vorschlag stark an den aktuellen Vorgaben des Baseler Gremiums in BCBS 352.

Im Gegensatz zur bisherigen Handelsbuch-Abgrenzung, die sich an einer gegebenen Handelsabsicht orientiert, bezieht sich die aktualisierte Vorgabe deutlich stärker an einzelnen Produktspezifika und -risiken. Die auffälligste Abweichung vom Baseler Rahmenwerk betrifft die verpflichtende Handelsbuch-Zuordnung von sämtlichen Finanzinstrumenten, die zum Fair Value bewertet werden (Art. 104 (2)e). Diese Vorgabe umfasst deutlich mehr Instrumente als die Baseler Variante, in der bisher gemäß IAS 39 als Held for Trading klassifizierte Instrumente verpflichtend dem Handelsbuch zugeordnet wurden. Abweichungen von dieser Regelung sind nur unter eingeschränkten Bedingungen möglich.

Der Kommissionsentwurf enthält, wie auch das Baseler Papier, zwei neue Ansätze zur Bestimmung der Kapitalanforderungen für das Marktrisiko. Ein gegenüber der aktuellen CRR deutlich verschärfter Standardansatz, sowie ein interner Modelle Ansatz. Zur Sicherstellung der Proportionalität wird mittelgroßen Instituten (Marktrisiko relevantes Volumen zwischen 50-300M, sowie zwischen 5% und 10% der Bilanzsumme des Instituts) eine Weiterführung des alten Standardansatzes ermöglicht. Bei Verwendung der neuen Ansätze müssen in einem Dreijahreszeitraum jedoch nur 65% der Kapitalanforderung auch tatsächlich angesetzt werden. Die parallele Anwendung von alten und neuen Methoden ist nicht erlaubt.

Der verpflichtende neue sensitivitätsbasierte Standardansatz wurde an einzelnen Stellen angepasst, um Anmerkungen der Industrie Rechnung zu tragen. So kommt für die Bestimmung des Credit-Spread-Risikos gegenüber EU-Mitgliedsstaaten ein vergünstigtes Risikogewicht von 0,5%, unabhängig vom Rating, zur Anwendung. Von EU-Instituten emittierte Covered Bonds sollen künftig mit einem 2%igen Risikogewicht angerechnet werden.

Die Änderungen am Marktrisikorahmenwerk sollen zwei Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung zur Anwendung kommen. Dadurch ist der Umsetzungsdruck für die Institute, die noch nicht mit Implementierung begonnen haben, deutlich erhöht worden.

 

Standard Approach for Counterparty Credit Risk

Der Baseler Vorschlag zur Ermittlung des Exposures für das Kontrahentenausfallrisiko wurde bis auf wenige Ausnahmen nahezu unverändert in den CRR Änderungsentwurf übernommen. Neben dem bekannten neuen Standardansatz SA-CCR wurde ein vereinfachter Standardansatz definiert. Die Voraussetzungen für diesen sind eine Derivate-Position, die einen Wert von 150 Millionen Euro und 10% der Bilanzsumme des Instituts nicht überschreitet. Dabei sind ebenfalls Hedges von Kreditrisiken im Bankbuch zu berücksichtigen. Die alte Marktbewertungsmethode und die Standardmethode wurden, wie erwartet, entfernt. Die Ursprungsrisikomethode soll in leicht angepasster Form erhalten bleiben. Die Interne-Modelle-Methode bleibt unverändert erhalten. Die Kommission schlägt vor, Institutsgruppen die Verwendung mehrerer Ansätze parallel zu erlauben. Einzig innerhalb eines Instituts soll eine parallele Verwendung nicht dauerhaft möglich sein.

Der neue Standardansatz SA-CCR ermittelt Risikopositionswerte auf Ebene von vertraglich vereinbarten Netting-Sets. Die Anforderungen an diese sind unverändert. Da jedoch auch die Ausgestaltung von Nachschussvereinbarungen Berücksichtigung findet, unterscheidet der Kommissionsvorschlag mehrere Konstellationen zwischen Netting- und Nachschussvereinbarungen, die teilweise drastisch bei der Ermittlung des Potential Future Exposures bestraft werden.

Die teilweise komplexe Zuordnung von Derivaten zu einem Risikotreiber und damit einem der bekannten fünf Risikoarten wird in Analogie zum neuen Marktrisikorahmenwerk auf Sensitivitäten zurückgeführt. Die konkrete Ausgestaltung wird an die EBA delegiert. Neben den Risikoarten, die auch im Baseler Papier angesprochen wurden, definiert die Kommission „sonstige Risiken“.  Ähnlich wie auch im Marktrisiko werden anrechenbare Hedging-Effekte hier auf ein Minimum reduziert.

Der vereinfachte Standardansatz verwendet denselben Ansatz, wie auch der SA-CCR, berücksichtigt jedoch keine Hedging-Effekte durch gegenläufige Long- und Short-Positionen unabhängig von der Risikoart. Damit ist bei geringerem Implementierungsaufwand ein grundsätzlich höherer Risikopositionswert zu erwarten.

Die Anwendung erfolgt zwei Jahre nach Inkrafttreten des Änderungsvorschlags. Die erste Meldung wird daher frühestens Anfang 2019 erwartet.

 

Neue Säule-III-Offenlegung

Mit der CRR-Änderung ergeben sich ebenfalls Anpassungen an den Anforderungen zur Säule-III-Offenlegung. Wesentliche Punkte betreffen die Definition von Umfang und Frequenz der Offenlegung durch neu beschriebene Größenklassen. Diese sind in zwei Dimensionen definiert und berücksichtigen unter anderem Größe und Marktrelevanz des Instituts. Die Offenlegungsanforderungen sind am umfangreichsten für „signifikante“ Institute. Diese sind unter anderemG-SIIs und O-SIIs gemäß Richtlinie 2013/36/EU. Für „kleine“ Unternehmen, deren Aktiva im Vier-Jahres-Durchschnitt die Grenze von 1,5 Milliarden Euro nicht überschreiten, sind die Anforderungen deutlich geringer.

Die neuen inhaltlichen Anforderungen umfassen ergänzte Angaben zu Eigenmitteln und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten, Gegenparteiausfallrisiken, Marktrisiken und Liquiditätsanforderungen. Darüber hinaus sollen diverse Anpassungen die offengelegten Informationen auch gemäß internationalen Standards besser vergleichbar machen, sowie Säule-I-Anpassungen reflektieren.

Signifikante Institute werden aufgefordert, sämtliche in Teil Acht der Verordnung genannten Informationen auf jährlicher Basis offenzulegen. Zusätzlich erfolgt eine Teiloffenlegung in halbjährlichem oder vierteljährlichem Zyklus. Kleine Institute, deren emittierte Wertpapiere auf keinem geregelten Markt eines Mitgliedsstaats gehandelt werden, unterliegen den schwächsten Offenlegungsanforderungen. Jedoch werden selbst diese aufgefordert, in jährlichem Rhythmus neben ausgewählten Angaben zu Governance-, Vergütungs- und Risikomanagementinformationen sogenannte „Schlüsselfaktoren“ (key metrics) (Art. 447) offenzulegen. Darunter fallen Eigenmittelzusammensetzung und –anforderungen, Gesamtrisikoposition, Tier 1 Kernkapital, Kapitalpufferanforderungen, Leverage Ratio, Liquiditätsanforderungen (LCR und NSFR), sowie berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten.

Die Kommission hat die EBA ermächtigt, konkrete Vorgaben zu Offenlegungsstandards zu erarbeiten. Ein Entwurf für die technischen Durchführungsstandards soll der Kommission bis zum 30.06.2019 vorgelegt werden. Da das aktuell diskutierten Papiers EBA/CP/2016/07 aber bereits bis Ende des Jahres 2016 in einer finalen Form veröffentlicht werden soll, ist bereits zum Stichtag 31.12.2017 mit einer Offenlegung nach den neuen Standards der EBA-Guideline zu rechnen.

 

Total Loss-Absorbing Capacity

Neben der bestehenden Own Funds Untergrenze durch MREL schlägt die Kommission eine Umsetzung zu Total Loss-Absorbing Capacity (TLAC) für G-SIIs vor. Diese wirkt als ergänzende Anforderung an zusätzliches Kernkapital und Ergänzungskapital der Institute, die im Abwicklungsfall verlustabsorbierende Eigenschaften aufweisen sollen. Konkret übernimmt der Änderungsentwurf die Vorgaben des FSB in Artikel 92a und fordert instituts-unabhängig eine Quote von 18% für das Verhältnis aus TLAC-anrechenbaren Kapitalbestandteilen und RWA. Im Verhältnis zur Leverage Ratio wird eine Quote von 6,75% gefordert. Es wird ein Phase-In von 2-3 Jahren ermöglicht.

Die Kommission definiert die berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten in einem eigenen Kapitel der neuen CRR. Diese sollen sicherstellen, dass diese im Abwicklungsfall bail-in-fähig sind.

Die Kommission wird bezüglich der Handhabung von herausgegebenen TLAC-Instrumenten den Rat der EBA einholen.

 

Verbindliche Leverage Ratio

Die Kommission schlägt die Einführung einer verpflichtenden Leverage Ratio von 3% bis Januar 2019 vor.

 

Equity Investments in Funds

Mit dem CRR-Änderungsentwurf ist die Kommission dem Vorschlag des Baseler Ausschusses bezüglich der Eigenkapitalunterlegung für das Investment in Fonds (BCBS 266) nahezu vollständig gefolgt.

Bei der Unterlegung werden die drei in Art. 132 des Änderungsentwurfs stehenden risikosensitiven Ansätze herangezogen. Es handelt sich hierbei in Art. 132a(1) und 132a(2) um den look-through approach (LTA) bzw. mandate-based approach (MBA) und in Art. 132b(2) um den fall-back approach (FBA).

Der LTA entspricht dem bereits bekannten Durchschauprinzip und kommt zum Tragen, wenn die Risikogewichte so angewendet werden, als würde die Bank direkt in die zugrundeliegenden Risikopositionen des Organismus für gemeinsame Anlagen (OGA) investieren.

Falls die zugrundeliegenden Risikopositionen eines OGA nicht bekannt sind, wird der MBA angewendet, der dem bisherigen Ansatz des durchschnittlichen Risikogewichts gemäß der aktuellen CRR nach Art. 132 (5) entspricht. Beim MBA bezieht die Bank die Informationen aus dem Fondsmandat (i.d.R. das Verkaufsprospekt). Die Risikogewichte werden so ermittelt, dass der Fonds erst mit dem maximal zulässigen Betrag in Aktiva mit höherem Risikogewicht investiert und dann abnehmend in die Positionen mit niedrigerem Risikogewicht.

Um die Ansätze aus Art. 132a anzuwenden, müssen bestimmte Bedingungen nach Art. 132 (3) erfüllt werden. So müssen den Banken die Informationen zum Fonds regelmäßig zur Verfügung stehen, mindestens so häufig wie Reportingverpflichtungen bestehen. Die vorliegenden Informationen müssen von einem unabhängigen Dritten bestätigt werden (z.B. Depotbank).

Sofern sich das Institut bei den Informationen zu den Fonds auf Kalkulationen unabhängiger Dritter bezieht, muss sie das risikogewichtete Exposure nach Art. 132 (4) mit dem Faktor 1,2 multiplizieren.

Statt wie bisher die CVA-Charge auf Geschäfte mit Kontrahentenausfallrisiko anzuwenden, können die Eigenmittelanforderungen gemäß Art. 132a(3) durch einen Wert ersetzt werden, der 50% des Risikopositionswertes dieser Geschäfte entspricht.

Abzugsfähige Eigenkapitalinstrumente und bestimmte Beteiligungsrisikopositionen sollen nach Art. 132b bei der Berechnung der risikogewichteten Exposures nicht berücksichtigt werden.

Wenn beide Ansätze nicht angewendet werden können, greift nach Art. 132 (2) der FBA mit einem Risikogewicht von 1250%. Institute können die Kombination der drei Ansätze zur Risikogewichtsermittlung anwenden, sofern die Bedingungen für die Anwendung der einzelnen Ansätze erfüllt sind.

 

Umsetzung

Erheblicher Umsetzungsaufwand zur Sicherstellung der Meldefähigkeit nach den neuen Vorschriften wird signifikante Ressourcen in den betroffenen Instituten binden. Controlling- und Reporting-Einheiten erwarten umfangreiche Anforderungen an Datenverfügbarkeit und -konsolidierung, die einen sofortigen Start der Konzeptions- und Umsetzungstätigkeiten unvermeidbar machen. Durch unterschiedliche Anwendungsdaten zwischen 2017 und 2019 bei gleichzeitiger starker Verflechtung einzelner Themen wird die Komplexität sowohl fachlicher als auch technischer Anforderungen deutlich erhöht.

Der Kommissionsvorschlag tritt 20 Tage nach der Veröffentlichung im Amtsblatt der europäischen Union in Kraft.

Kontakt: Stefanie.Linder@finbridge.de